Ein Gespräch mit unserer Brot-Sommelière Betina Louis

Betina Louis arbeitet seit vielen, vielen Jahren bei uns im Team und sprüht nur so vor Begeisterung für handwerklich hergestelltes Brot. Kein Wunder, dass sie große Lust hatte, die Ausbildung zur Brot-Sommelière zu absolvieren. Heute hat sie uns Rede und Antwort gestanden und es hat großen Spaß gemacht, ihr zuzuhören.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie eine Leidenschaft für Brot haben?

Ich bin mit zwei Schwestern in einem eher ländlichen, sehr behüteten Familienverbund aufgewachsen. Schon als Kind war ich diejenige, die sehr gerne meiner Oma oder meiner Mutter in der Küche geholfen hat. Meine Schwestern kann man bis heute nicht für die Küchenarbeit begeistern, für mich ist es Entspannung und Leidenschaft. Als ich mit 16 Jahren und der mittleren Reife von der Schule ging, wollte ich eigentlich Kaltmamsell (alternative Bezeichnung: kalte Mamsell) ist in der Gastronomie und Hotellerie die Berufsbezeichnung für eine Person (Mamsell), die für kalte Speisen und Buffets zuständig ist.) lernen. Da ich mit 16 Jahren für die Hotel- und Kochbranche zu jung war, wünschten sich meine Eltern, dass ich noch auf eine Hauswirtschaftsschule gehe. Das kam für mich nicht in Frage, Schule wollte ich auf keinen Fall mehr. In den Sommerferien der 9. Klasse habe ich schon bei dem Bäcker unseres Vertrauens (Bäckerei Reichert, Inh. Bäckermeister Döbbener) drei Wochen eine Art Praktikum gemacht. Damals gab es noch keine Schul-Praktika, weshalb ich mich selbst darum kümmerte. Schon nach meinem Praktikum bot mir Herr Döbbener eine Lehrstelle an, die ich ein Jahr später auch dankend annahm. So war ich die erste weibliche Auszubildende im Bäckerhandwerk im Rhein-Sieg-Kreis.

 

Was muss ein gutes Brot für Sie mitbringen?

Ein gutes Brot sollte einen hohen Krustenanteil haben, der wiederrum kräftige Röstaromen aufweist. Am liebsten auf der Steinplatte oder im Holzbackofen gebacken. Beim Anschneiden muss die Kruste ordentlich krachen. Ich liebe etwas mildere Brote, also Brote mit einer ausgewogenen Säure. Die Krume sollte weich und grobporig sein. Ich genieße das Spiel der kräftigen Kruste und der soften Krume, daher darf das Innere gerne mit gerösteten Kernen oder Ölsaaten leicht durchzogen sein. Geschmacklich begeistern mich Brote mit einer leicht nussigen Note. Von Hand aufgearbeitet darf es nicht exakte Rundungen, Ecken und Kanten aufweisen. Die Farbe der Kruste sollte zum Backprozess passend kastanienbraun sein. Die Krume soll der Mehlzusammensetzung typisch aussehen. Kurz gesagt: ein handwerkliches Brot gefertigt aus drei Zutaten, Mehl (im besten Fall aus der Region) Wasser und Salz, mit viel Liebe und Zeit hergestellt.

 

Lieber süßer oder herzhafter Aufstrich?

Das kommt einmal auf meine Stimmung an, auf das Brot, welches ich habe und auch immer wieder auf die Lust darauf, Ausgefallenes zu probieren. Ein nussiges Brot liebe ich mit nussigem Käse wie auch mit einem süßen Aufstrich.  Auf Steinplatte gebackene Brote belege ich mit geräucherten Belägen oder Aufstrichen. Das beste Brot genieße ich ohne jegliche Aufstriche.

 

Wenn Sie nur noch ein Brot essen dürften, welches wäre das?

Aus der Brotvielfalt der Bäckerei Gilgen‘s wäre das das Anno 1880.

Das gute Butterbrot ist wieder im Kommen. Wie sieht ihr Lieblingsbutterbrot aus?

Das gute, fast in Vergessenheit geratene Butterbrot, ist für mich in erster Linie eine Kindheitserinnerung. Da sehne ich mir die Zeit herbei und bastele mir mit dem Butterbrot meine Kindheit zurück, ein Stück Geborgenheit, Sorglosigkeit und Fröhlichkeit. Ein Weizenmischbrot gebuttert, mit Fleischwurst belegt und zusammengeklappt.

 

Heute laden wir oft Freunde zum Abendbrot ein. Auch eine Renaissance, und alle unsere Gäste lieben es. Es ist Kindheit, Familie, Geborgenheit, einfach Emotion. Dafür braucht es nur ein gutes Brot (bei uns zwei Kilo Anno 1880), Butter, Zwiebelmett, geräucherte Leberwurst, rheinische Fleischwurst, mittelalter Gouda, Gewürzgurken, Düsseldorfer Senf und Zwiebelringe. Zur Perfektion noch ein kaltes Glas Kölsch. Perfekter Genuss und ein harmonisch langes Essen.

 

Warum haben Sie sich dazu entscheiden, Brot-Sommelière zu werden?

Die Entscheidung ging in erster Linie von Herrn und Frau Gilgen aus. 2015 wurde ich ins Schulungsteam befördert und sollte mich um die Brotsprache im Verkauf kümmern. Im besten Fall mit einem Brot-Work-Shop. Zur Planung und Durchführung bot mir Frau Gilgen an, in Weinheim auf der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks den Kurs zum Brotsommelièr zu belegen. Das war im Dezember 2015 und der Kurs war schon mit einer gelben Ampel gekennzeichnet, das hieß: „Nur noch wenig Plätze frei“.

 

Wir mussten uns also schnell entscheiden und so buchten wir den Kurs ohne zu wissen, was uns erwartet. Ein Jahr Schule, jeweils drei Tage von Februar bis Dezember. Eine Projektarbeit, Thema: Neues Wissen zu Brot. Besuch im Brot Museum in Ulm, Termine mit meinem Projektleiter in Georgensgmünd bei Schwabach, zur Projektarbeit gab es dazu einen Austausch mit ausgesuchten Filialen.

 

Eine riesige Hürde war die Erkenntnis der Akademie im Sommer 2016 (nach der Hälfte der Vorbereitung), dass ich einen Meister haben müsse, um zur Prüfung zugelassen zu werden. Das Ehepaar Gilgen schrieb der Akademie Zeugnisse über mich und meine Leistung als Filialleiterin und auch mein Lebenslauf wies zwei Gesellen-Stellen auf, in denen ich eine Backstube geleitet hatte.

 

Dies führte dann glücklicherweise tatsächlich zu einer Ausnahme, so dass ich die Prüfung als erste und einzige ohne Meister ablegen durfte. Jedoch hieß dies für mich, zu allem anderen Wissen, noch zusätzlichen Meisterstoff zu lernen. Frau Gilgen bot mir an die Prüfung nicht machen zu müssen, denn das Wissen, welches ich bislang schon von der Schulung mitgebracht hatte, würde schon wirklich viel zu einem erfolgreichen Work-Shop beitragen. Aber kampflos die Arena verlassen kam für mich nicht in Frage. So bestand ich im Dezember 2016 die Prüfung zur überhaupt erst 2. Brot-Sommelière weltweit, mit einem Notendurchschnitt von 2,7.

 

Im Rückblick habe ich das alles nur der Familie Gilgen zu verdanken. Und immer, wenn ich auf meine tolle Leistung als Brot-Sommelière angesprochen werde, kann ich nur sagen: „Ohne diese Chefs, die mir die Möglichkeit gegeben haben, mich weiterzubilden und mich in diesem Jahr so unterstützt haben, wäre ich nicht da wo ich jetzt bin.“

 

Was ich nun mit dem Titel machen kann ist meine pure Leidenschaft. Menschen von dem unschlagbar kraftvollen und vielseitigen Lebensmittel Brot zu begeistern. Ich hoffe immer wieder, dass ich Kunden für uns und unsere großartigen Brote und Backwaren gewinnen kann.

 

Was ist das verrückteste, was sie auf einem Brot gegessen haben oder das außergewöhnlichste Brot, das Sie gegessen haben?

Viele finden es verrückt Fisch und Brot zu kombinieren. Ich genieße unser rheinisches Vollkornbrot gebuttert mit frischem Matjes belegt und roten Zwiebelringen garniert.

Einen Reibekuchen auf rheinischem Vollkornbrot verfeinert mit Rübenkraut ist ein Gedicht. Gegensätze ziehen sich an: da passt das Französische Landbrot belegt mit einem Schimmelkäse und als Ausgleich und Gegensatz, Honig oder Himbeeren. Ein süßer Stuten darf auch schon mal Unterlage für einen mittelalten Gouda sein.